
10,2%
der Patientinnen und Patienten im KfH dialysieren zu Hause.

1,4%
der europäischen Patientinnen und Patienten nutzen die Heimhämodialyse (9% die Peritonealdialyse).

30%
Heimdialyse sei machbar, schätzt Daniel Gallego, Präsident der European Kidney Patients' Federation.
Bemühungen zur Verbesserung von Organspende und -transplantation
Nach wie vor ist die Heimdialyse in Deutschland wenig verbreitet. Nur rund 6,8 Prozent der dialysepflichtigen Menschen in Deutschland behandeln sich selbst zu Hause mit Peritonealdialyse (PD, 6,08 Prozent) oder Heimhämodialyse (HHD, 0,77 Prozent) – und das, obwohl die Behandlungsform viele Vorteile gegenüber der Zentrumsdialyse bietet. Fachleute geben an, dass sich die meist täglich durchgeführte PD über das Bauchfell rein medizinisch für bis zu 60 bis 80 Prozent der Patientinnen und Patienten eigne. Auch bei der Hämodialyse in den eigenen vier Wänden kann der Körper häufiger als dreimal pro Woche, wie im Dialysezentrum üblich, entgiftet werden. Die tägliche Hämodialyse lässt die Konzentration von Giftstoffen im Blut nicht so hoch ansteigen wie bei größeren Intervallen, die Patientinnen und Patienten fühlen sich daher oft besser. Hinzu kommt die erhöhte Lebensqualität durch mehr Freiheit für Beruf oder Freizeit ohne feste Dialysezeiten.
Dennoch führt die Heimdialyse in Deutschland weiter ein Schattendasein. Das will zum Beispiel Dr. Benno Kitsche, Geschäftsleiter Heimdialyse im KfH, ändern: „Der Wunsch der Patientinnen und Patienten ist heute nicht mehr nur zu überleben, sondern eine gute Lebensqualität zu haben. Heimdialyse ist genau die Behandlungsform, die ihnen das ermöglicht.“ Kitsche gehört zur wissenschaftlichen Leitung des 14. Kölner Heimdialysekongresses des KfH, der sich Ende April sowohl mit den Hürden als auch mit den Perspektiven des Verfahrens beschäftigte. Das KfH will die Heimtherapie damit vorantreiben.
Zeitenwende durch Sorbent-Technologie?
Den Hauptvortrag beim Kongress hielt der in Singapur tätige Chemiker Dr. Christian Blüchel. Er stellte erstmals öffentlich die von ihm entwickelte Sorbent-Technologie vor, die deutlich kleinere wasser- und damit energiesparende Dialysemaschinen möglich macht.
Mit zehn Kilogramm Gewicht passt das von Blüchel entwickelte Gerät sogar im Flugzeug ins Handgepäck. Zentrales Element der neuen Methode ist eine sogenannte Sorbent-Kartusche, welche die verbrauchte Dialysatlösung reinigt, sodass sie in der laufenden Behandlung wiederverwendet werden kann, und nur fünf Liter benötigt (siehe Grafik, Seite 9). Kitsche sieht mit der neuen Technologie „eine Zeitenwende“ kommen: „Es wird die Welt der Nierenersatztherapie verändern, wenn nicht mehr 350 bis 600 Liter Trinkwasser pro Dialysebehandlung verbraucht werden, sondern nur fünf.“ Blüchel erläutert: „Anstelle von Maschinen, die Zeit und Ort der Dialyse bestimmen, können dann Patientinnen und Patienten über Zeit und Ort ihrer Dialysebehandlung entscheiden.“ Kitsche verweist zudem auf die ökonomische Dimension. Der Installationsaufwand für die von Blüchel in Köln vorgestellte Technologie liege bei null. Sie funktioniert mit Strom aus der Steckdose und ist unabhängig von Wasserzufuhr und -abfluss, da sie verbrauchtes Dialysat kontinuierlich reinigt und regeneriert. Der Entwickler schätzt, dass schon in anderthalb Jahren die Zulassung vorliegen kann. Ihm ist auch Feedback von Patientinnen und Patienten wichtig, „um zu vermeiden, dass wir an ihnen vorbeientwickeln“.
Noch einen Schritt weiter geht der Wissenschaftler Prof. Dr. Fokko Wieringa vom belgischen Interuniversity Microelectronics Centre (IMEC). Dort arbeitet man derzeit schon an der implantierbaren künstlichen Niere für größtmögliche Lebensqualität. Er schilderte beim Kongress in Köln die Entwicklung hin zu Hämodialysemaschinen, die keinen Nadelzugang zum Blutkreislauf mehr erfordern. Zu seiner Vision implantierbarer Dialysefilter laufen Forschungsprojekte.

Ökonomie und Ökologie im Blick
Ökonomie und Ökologie hat das KfH in der Heimdialyse schon seit 1994 im Bereich der Verpackungsverwertung im Blick. Seit 30 Jahren werden die notwendigen Verpackungen für Dialysematerialien durch die KfH-Logistikstandorte getrennt gesammelt. Für Flüssigkeitskanister, Kunststofffolie sowie Papier, Pappe und Kartonage ist eine sogenannte Branchenlösung gemäß Verpackungsordnung entwickelt worden: Die Verpackungen werden in den Zentren und von den Heimpatientinnen und -patienten getrennt gesammelt und dem Recycling zugeführt. Das schont die Umwelt und ist rentabel, da das KfH für die Herstellenden deren Rücknahmeverpflichtung von Umverpackungen übernimmt. „Wir sind das einzige Unternehmen im Medizinbereich in Deutschland, das eine Branchenlösung hat. 2023 haben wir Papier, Pappe und Kartonagen vom Gewicht eines Airbus A380, rund 600 Tonnen, und Kunststoffe vom Gewicht eines Blauwals, rund 100 Tonnen, in den Kreislauf zurückgeführt“, verdeutlicht Prof. Dr. Joachim Beige, Geschäftsleiter Medizin im KfH. Für die Heimpatientinnen und -patienten bietet die Branchenlösung den Vorteil, dass der Großteil der Verpackungen bei der routinemäßigen Belieferung durch das KfH abgeholt wird. Wichtig ist zudem die beidseitige Auslastung der KfH-Logistik. Da Belieferung und Entsorgung auf einer Tour erfolgen, entfallen Leerfahrten, Lkw-Verkehr und Schadstoffemissionen werden verringert. Für Beige übernimmt die Heimdialyse in der Nephrologie generell „eine ökologische Vorreiterrolle“. Vor allem reduziert sich durch den Wegfall der Fahrten ins Dialysezentrum sowie durch den deutlich geringeren Aufwand der Peritonealdialyse gegenüber der Hämodialyse mit konventionellen Geräten im Zentrum der CO2-Fußabdruck deutlich.
Heimdialyse mit Unterstützung
Patientinnen und Patienten, die sich selbst zu Hause behandeln möchten, benötigen zuvor ein umfangreiches Training. Alternativ kann eine andere Person die wesentlichen Handgriffe übernehmen oder unterstützen. Dann wird von „Assistierter Dialyse“ gesprochen. Ihr wurde beim Kongress viel Zeit und Aufmerksamkeit eingeräumt. Kitsche möchte mehr Heimdialyse bei eingeschränkter Selbsthilfefähigkeit ermöglichen. Im KfH sei das in einem Bereich schon Standard: „Wir behandeln 60 Prozent unserer Kinder mit Assistierter Heimdialyse. Sie haben mit den Eltern eine natürliche Assistenz.“ Für dialysepflichtige Kinder ist die PD das medizinisch zu bevorzugende Verfahren. Was für Kinder passe, könne gut auch für ältere Patientinnen und Patienten umgesetzt werden. Beim Kongress in Köln berichteten Fachleute über internationale und nationale Projekte zur Assistierten Heimdialyse.
Hilfreiche Netzwerke
Angehörige oder Pflegedienste unterstützen bei der Behandlung bereits in Pilotprojekten durch das Netzwerk Assistierte Dialyse (NADia) oder in St. Pölten in Österreich. Dort wird deutlich, wie wichtig solche Netzwerke hierbei sind. Sie stellen die Verbindung sowohl zwischen dem nephrologischen Zentrum und den durchführenden Assistentinnen und Assistenten eines Pflegediensts her als auch zu den Angehörigen und Hausärztinnen und -ärzten. Ein Hindernis: Die Vergütung ist noch nicht ausreichend geregelt. Wie die Vertreterin einer Krankenkasse auf dem Kongress skizzierte, sieht der Leistungskatalog noch keine häusliche Krankenpflege für die Heimdialyse vor. Daher ist eine Einzelfallentscheidung notwendig. Vorher müssten jeweils die Fahrtkosten im Vergleich zur Dialyse in einem Zentrum gegengerechnet werden.
Eine Zusammenstellung weiterer Links rund um das Thema finden Sie auf unserer Microsite "Dialyse zu Hause".
Schleswig-Holstein geht voran
Für Aufmerksamkeit in Fachkreisen sorgten vor wenigen Jahren die Ergebnisse der „MAU-PD-Studie“. Sie identifizierte Faktoren für die geringe Verbreitung der Heimdialyse: mangelnde Information der Patientinnen und Patienten, strukturelle Defizite in den Zentren, zu wenig Anteil in der Aus- und Weiterbildung sowie wirtschaftliche Barrieren. Als Reaktion darauf stellte die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) im September 2021 einen Zehn-Punkte-Plan zur Stärkung der Heimdialyse vor. Ein gutes Beispiel für dessen Umsetzung ist die am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel angesiedelte „Sektorenübergreifende Koordinierungsstelle zur nachhaltigen Intensivierung der Peritonealdialyse in Schleswig-Holstein“, kurz SKIP-SH.
Das im September 2023 gestartete und auch von der DGfN unterstützte Modellprojekt will den zuletzt bei nur rund vier Prozent liegenden Anteil der PD im nördlichsten Bundesland stärken. Vorbild sind Länder wie Dänemark mit einem PD-Anteil von über 22 Prozent.
Das SKIP-SH-Konzept basiert auf drei Säulen: Zunächst ist die Koordinierungsstelle sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ansprechbar. Zweitens soll die PD in Lehre sowie Aus- und Weiterbildung gestärkt werden, alle Studierenden der Humanmedizin im Land sollen Kontakt dazu bekommen und PD in virtueller Realität an sich selbst durchführen. Dritte Säule ist eine Studie über die Änderung der Dialyseversorgung in der Region.
Bereits nach einem halben Jahr zeigen sich erste Erfolge, wie Projektleiter Dr. Benedikt Kolbrink berichtet: „Es ist offensichtlich großer Bedarf vorhanden, wir bekommen viele Anfragen und haben die Zahl der PD-Katheteranlagen bei uns deutlich gesteigert. Einige Dialysezentren im Umkreis, die bisher nur HD angeboten haben, betreuen jetzt auch erste PD-Patientinnen und -Patienten. Wir sind zuversichtlich, den PD-Anteil in Schleswig-Holstein deutlich steigern zu können.“ Kolbrink findet, die PD müsse den gleichen Stellenwert wie die HD bekommen, „damit Patientinnen und Patienten unvoreingenommen darüber aufgeklärt werden können“. Perspektivisch könne mehr PD auch die durch den Fachkräftemangel angespannte Personalsituation der Dialysezentren insbesondere im pflegerischen Bereich lindern. Das SKIP-SH-Team erreichten bereits Anfragen zu den gemachten Erfahrungen aus anderen Regionen Deutschlands.

Vorteile für Patientinnen und Patienten
Prof. Dr. Roland Schmitt, Direktor der Nephrologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, fasst die Vorteile des Heimverfahrens aus Sicht der Patientinnen und Patienten so zusammen: Kompatibilität mit dem Berufsleben, spontanere Lebensführung, Selbstbestimmung, Flexibilisierung des Alltags und Unabhängigkeit. Nach Schmitts Ansicht habe Deutschland gerade für die HHD „Premiumvoraussetzungen“, auch wegen seiner hochentwickelten Infrastruktur mit sehr sauberem Wasser, zuverlässigem Strom und unkomplizierter Logistik.
Der belgische Nephrologe Prof. Dr. Raymond Vanholder, Präsident der European Kidney Health Alliance (EKHA), schlussfolgert: Noch schöpfe die Heimdialyse ihr Potenzial in Europa nicht aus, das ignoriere deren vielfältige Vorteile. Die zukünftigen Rahmenbedingungen würden die Medizin jedoch in Richtung von Heimtherapien drängen. Eine verbesserte Information der Patientinnen und Patienten, ihre gemeinsame Entscheidungsfindung mit Ärztinnen und Ärzten sowie politische Entscheidungen würden in Zukunft wichtige Katalysatoren für die Heimverfahren sein.
„Den Startknopf drücken“
KfH-Experte Kitsche unterstreicht, wie wichtig es ist, die Patientinnen und Patienten einzubinden. „Unser Fokus muss darauf liegen, ihnen zu ermöglichen, was sie brauchen.“ Sein Kollege Prof. Dr. Lutz Weber aus der wissenschaftlichen Leitung des Kongresses, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie und Ärztlicher Leiter im KfH-Nierenzentrum für Kinder und Jugendliche in Köln-Lindenthal, bilanziert: „Wir sehen, dass sehr vieles möglich ist, aber wir dürfen nicht in diesen Möglichkeiten verharren, sondern müssen jetzt den Startknopf drücken.“
Ist Heimdialyse etwas für mich?
dialyse-zu-hause.kfh.de
Die KfH-Webseite dialyse-zu-hause.kfh.de bietet Erfahrungsberichte, kompakte Informationen und interessante Links zur Heimdialyse.
Im Vordergrund der Behandlung chronisch nierenkranker Menschen steht die Frage nach dem persönlich passenden Verfahren. Erste Antworten darauf gibt ein interaktiver Entscheidungsassistent mit 19 Fragen zu den eigenen Bedürfnissen.
Persönlicher Draht zu unseren Experten
Informationen zur Heimdialyse erhält man auch persönlich von KfH-Expertinnen und -Experten von Montag bis Freitag (13 bis 15 Uhr) unter Tel. 06102-7192292
Gespräch mit Ihrer Ärztin bzw. Ihrem Arzt
Sprechen Sie Ihre Ärztin bzw. Ihren Arzt aktiv auf die Möglichkeit der Heimdialyse an! Umfassend informierte Patientinnen und Patienten können zusammen mit ihrem Behandlungsteam eine fundierte und auf ihre jeweilige Lebenssituation passende bzw. bestmögliche Entscheidung für ihre Dialyseform treffen.

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